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Das Ahoi

Es gab auf Wangerooge wohl kaum eine einfachere Wegbeschreibung als die zum Ahoi. »Vom Bahnhof aus immer geradeaus, wenn’s nicht mehr weiter geht links und dann die Treppen runter«. So sollte das wohl jeder gefunden haben.

MOIN NR. 2 · 2020

Nach dem Abriss des alten Hotel Monopol wurde das Ahoi in der Vorsaison 1973 von Detlef Engelmeier im Souterrain des Neubaus an der Strandpromenade eröffnet. Der Name Ahoi passte ausgezeichnet zur maritimen Einrichtung des Lokals. Die große Theke war in der Form eines Schiffsbugs gebaut und eine Schiffsglocke lud Unwissende ein, gleich eine Lokalrunde auszugeben. Der attraktive Tresen-Anker, das sollte die spätere Erfahrung zeigen, bedurfte einer Spezialbefestigung zur Sicherung vor Spaßvögeln und Andenkensammlern. Bullaugen an den Wänden unterstrichen den Schiffscharakter der Kneipe. Und Detlef als Wirt vermittelte mit seiner ruhigen, aufmerksamen Art durchaus den Eindruck eines Wirtshaus-Kapitäns.

Vom ersten Tag an war das Lokal gut besucht. Die Strandwärter und die Rettungsschwimmer beendeten ihren Arbeitstag gerne bei einer kleinen, nennen wir sie mal: Dienstbesprechung im Ahoi. Es dauerte auch nicht lange, bis mehr und mehr Urlauber an diesen Dienstbesprechungen teilnehmen wollten und übergangslos den Abend einläuteten. Und gewiss war das große Interesse vieler Insulaner an dieser neuen Lokalität auch mehr als nur bloße Neugier. Kurz gesagt: Der Laden brummte.

Vielleicht war das Ahoi nicht der Rahmen für den gehobenen Donjuanismus, aber es war der perfekte Ort für unerwartete Begegnungen, für einen flüchtigen Urlaubsflirt oder einfach für ein Thekengespräch unter Wofür-auch-immer-Experten.

»Das Ahoi war immer so voll, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen«. Detlef Engelmeiers Frau Hannelore weiß noch, dass sie wegen des großen Andrangs einen Türsteher anstellen mussten. »Der hat dann nur jemanden rein gelassen, wenn ein anderer Gast raus ging. Wir waren immer ganz froh, wenn mal wieder eine Strandparty angesagt war. Dann hatten wir wenigstens an einem Abend etwas mehr Ruhe.«

Auf Wangerooge galt in den 1970er und 1980er Jahren noch die gesetzliche Sperrstunde: Um 1 Uhr nachts mussten die Lokale geschlossen sein. Da gab es keine Ausnahme und kein Pardon. Selbst so kluge Ausreden wie: Dies sei doch nur eine Privatveranstaltung oder etwa das doppelte Verschließen der Kneipentür hielten die Polizisten oder die Mitarbeiter des Ordnungsamtes nicht auf. Hannelore Engelmeier erinnert sich noch gut an die rigorose Durchsetzung der Sperrstunde: »Vor Werner Ulrichs, dem stattlichen Dorfpolizisten mit seinem martialisch anmutenden Schäferhund, hatten alle großen Respekt. Wenn der um 5 nach 1 im Ahoi stand, hieß es für alle: Polizeistunde! Getränk austrinken und raus aus dem ­Lokal.«

Das führte unter den Gästen natürlich immer zu einem gewissen Unverständnis bis hin zu gelegentlichem Unmut, denn schließlich waren sie ja alle im Urlaub auf Wangerooge. So richtig verstehen konnte den Sinn dieser polizeilichen Aktionen niemand, die Gastronomen nicht und die Gäste schon gar nicht. Vielleicht sogar nicht einmal die gestrenge Obrigkeit selber …

Zu Beginn der 1980er Jahre gab es rund um das Café Pudding mit dem Ahoi, dem Hard-Rock-Café und dem Tschako gleich drei angesagte Lokale, die abwechselnd aufgesucht wurden. Daher sprachen die Nachtschwärmer von diesem Inselteil einfach vom Bermuda-Dreieck. Ursprünglich gehörte auch die Tenne zu diesem ominösen Dreieck, in dem manche Erinnerungen wie andernorts Schiffe verschwanden. »Obwohl das Ahoi gar nicht auf unserem Nachhauseweg lag«, erinnert sich auch Stammgast Henner Herdzina »mussten wir nach jedem Abend im Hard-Rock-Café dort immer noch auf einen Absacker hin. Wenn die Polizei nicht kontrolliert hat, dann war um 1 Uhr auch noch lange nicht Feierabend.«

Mitte der 80er Jahre wurde ein neuer Pächter für das Speiselokal Tschako gesucht, das durch finanzielle Turbulenzen ein wenig ins Abseits geraten war. Das sah Detlef Engelmeier als neue Herausforderung an, er gab das Ahoi ab und verhalf dem Tschako wieder weitgehend zu seinem früheren Glanz.

Für das Ahoi folgte eine Zeit des häufigeren Pächterwechsels. Rainer Schmidt übernahm die Kneipe, dann Thomas Wellbrock und schließlich Werner Tautz, der auch Pächter des Lucky war, der Diskothek im ehemaligen Kurhaus.

Auf die polizeiliche Sperrstunde achtete zu dieser Zeit schon lange niemand mehr. Die Musik wurde lauter, die Tänzer ungestümer und die Trinker ausgelassener. Eine spät nachts noch geöffnete Schankwirtschaft in einem Appartementhaus bildet nicht selten die Grundlage von nachbarschaftlichem Zwist und Hader. Die vielen Beschwerden über nächtliche Ruhestörung führten schließlich zur behördlichen Schließung des Ahoi.

So mancher Besucher des Bierlokals Strandkorb mag sich beim Betreten des Eingangs fragen, wohin die rechtsgelegene Treppe wohl führen mag. Sie führt nach unten – in die verwaisten Katakomben des ehemaligen Ahoi. Und nur, wer ganz still lauscht, mag durch die geschlossene Tür noch verwehte Musikfetzen oder ein kurzes Lachen aus der Vergangenheit dieses einstigen Treffpunkts der Wangerooger Bacchanten hören.

Text: Axel Stuppy

Fotos: Peter Tigges + Manfred Osenberg

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