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ABENTEUER

ROBERT ROTHERS DRACHENJAHRE

Keiner konnte ahnen, dass der kleine, schmächtige Junge, der im Sand am Wangerooger Hauptstrand spielte, einmal ein berühmt-berüchtigter Mann werden könnte. Keiner kannte den jungen Mann mit dem markanten Lächeln, der Ostern 2019 am Rande des traditionellen Wangerooger Osterfeuers für die Freiwillige Feuerwehr Bratwürstchen verkaufte. Kaum einer seiner alten Kumpel von der Insel weiß, welch abenteuerliche Geschichten dieser Robert Rother (37) in China erlebt hat, lange nachdem er mit seiner Mutter im Haus Graf und später im »Feuerstein« seine Ferien verbracht hat.

MOIN NR. 3 · 2020

Auch ich selbst brauchte lange Zeit, um das alles zu realisieren, was ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe«, sagt mir der junge Mann mit dem Dreitagebart, der neben mir auf der Bank auf dem Platz am Meer auf Wangerooge sitzt. Mit eineinhalb Metern Abstand, versteht sich. Corona ist aber bei unserem Treffen im April 2020 kein Thema. Vielmehr die unglaublichen Erlebnisse des auf der Insel wohnenden Robert Rother, die er in seinem Bestseller »DRACHENJAHRE« beschrieben hat. In China. Er fuhr zwei Ferraris, jettete um die Welt, sponserte ein Rennteam in der Le-Mans-Serie, feierte rauschende Partys.

»Als Jugendlicher habe ich auch auf Wangerooge mit meinen Kumpels viel gefeiert«, grinst Robert, »auch auf dem Spielplatz hat uns das Jever geschmeckt. Aber das war natürlich nicht zu vergleichen mit den Orgien in China.«

Asien – das war Leben pur. Robert Rother, geboren in Dortmund, Fan von Borussia Dortmund und von Wangerooge. Plötzlich Millionär. Doch so rasant, wie Robert Rother aufgestiegen war, war er auch wieder ganz unten: im Gefängnis. Sieben Jahre und sieben Monate. »Das war die Hölle«. Das Besondere und Einmalige dieser klassischen Geschichte vom Absturz eines gefeierten Helden: Sie spielt in China – einem Land, in dessen Gefängnissen laut Amnesty International systematische Folter noch immer an der Tagesordnung steht, einem Land, in dem die Todesstrafe jedes Jahr tausendfach verhängt wird und die Hinrichtungen bisweilen öffentlich vollzogen werden.

RIECHER FÜR GESCHÄFTE

Wir gehen hinunter zur unteren Strandpromenade, schauen auf die ruhige Nordsee. Robert erzählt dass er schon immer einen Riecher fürs Geschäft hatte. So gut war der, dass er bereits mit 14 Jahren sein erstes Aktiendepot eröffnet, in der 13. Klasse die Schule verlässt, um sich dem Business zu widmen, und mit 18 Jahren Teilhaber einer Investmentfirma wird. 2004 geht Rother nach China, wo sich sehr schnell sehr viel Geld verdienen lässt, steigt in die High Society auf und bewegt sich im exklusiven Club der Superreichen.

ROBERTS FRAUEN

Dabei spielen auch die Frauen eine Rolle. Wie heute auf der kleinen Insel, auf der seine Mutter im »Haus Germania« den Ton angibt. Elfie Rother, 63 Jahre alt, eine gepflegte Erscheinung. Ihr Ehemann, Roberts Vater, war früh verstorben. Als Robert noch ein Kind war. Heute lebt sie mit einem Ruheständler und Ex-Handballer aus dem Sauerland zusammen.

HAUS GERMANIA

Auf dem Weg zum Haus Germania und zu ihr hatte mir Robert schon gesagt, dass er seiner Mom viel zu verdanken habe: »Ohne ihre Hilfe wäre ich sicherlich noch länger im Knast geblieben.« Aber sieben Jahre und sieben Monate sind auch mehr als genug …

Das Leben eines Millionärs in seinem so geliebten China. Gemeinsam mit Sissi. Doch eine Klage bringt ihn und seine Partnerin, eine Chinesin namens Angelina, in Untersuchungshaft. Seine Geschäfte hart am Rande der Legalität waren den Mächtigen ein Dorn im Auge. 2770 Tage wird Robert unter unvorstellbaren Bedingungen in Gefängnissen Südchinas verbringen, die ersten drei Jahre in einer Zelle mit 14 Mithäftlingen.

»Wofür brauchst du denn einen Anwalt, wenn du unschuldig bist?«, fragt ihn ein Polizist zynisch. Ein anderer droht ihm mit der Todesstrafe. Im Gefängnis sieht er Zwangsarbeit, Demütigungen, Isolationshaft und Folter. Er wird Zeuge, wie aufsässigen Häftlingen Elektroschocker gegen die Schläfe gehalten werden. »Das Gehirn frittieren«, nennen sie es. Jahrelang muss Robert in einer Fabrik Draht auf Spulen wickeln – Tag für Tag. Er überlebt nur dank seiner außergewöhnlichen Willenskraft und extremen Anpassungsfähigkeit. Dass er im Dezember 2018 das Gefängnis verlassen darf und jetzt seine Geschichte erzählen kann, verdankt er vermutlich allein der Tatsache, dass er Deutscher ist – ein Glück, das längst nicht alle Häftlinge -haben.

Kein Wunder, dass seine Partnerin Angelina bis heute im Knast sitzt, mit geringen Aussichten, jemals frei zu kommen. »Ich bete für sie, dass sie nicht zu sehr zu leiden hat«, seufzt Robert, der in seinem Buch »Drachenjahre – Wie ich 7 Jahre und 7 Monate im chinesischen Gefängnis überlebte« offen und ehrlich den Horrortrip schildert. Es ist der erste Augenzeugenbericht eines Europäers über die Haftbedingungen in chinesischen Gefängnissen – eine persönliche, eine verstörende Geschichte, packend wie ein Thriller und politisch ebenso hochaktuell wie brisant. Ein Buch über ein Land, das längst schon Weltmacht geworden ist und in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

GESTERN UND HEUTE

Robert Rother führt heute auf Wangerooge ein fast bürgerliches Leben, bewohnt mit seiner bei der Gemeinde Wangerooge angestellten Freundin Anja eine Wohnung in einem Neubau, in dem früher die Metzgerei Drees für Wurst und Fleisch gesorgt hat. Und er vermisst in Zeiten Coronas die Lokale, in denen er gemütlich sitzen und sich bedienen lassen kann. Er weiß, was Leben bedeutet. Denn einer wie er hat durchlitten und überlebt, was viele sich nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Sieben Jahre und sieben Monate unter unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis Dongguan im Süden Chinas, er erlebte Folter und war ständig der Willkür einer Diktatur ausgesetzt.

Doch – was hat ihn bewogen, seine ungewöhnliche Geschichte der ganzen Welt zu erzählen? »Ich bin es denen schuldig, die immer noch in der Hölle von Dongguan sitzen, Tag für Tag gefoltert und gedemütigt werden. Ich fühlte mich meinen Freunden im Gefängnis gegenüber verpflichtet, die Wahrheit ans Licht zu bringen, sodass keiner mehr behaupten kann, nicht gewusst zu haben, was in chinesischen Haftanstalten los ist.

Das gilt auch für die deutsche Regierung. Es reicht nicht, an China zu appellieren, Menschenrechte einzuhalten. Die deutsche Wirtschaft muss sich überlegen, wo sie produzieren lässt. Von unserer Regierung und Wirtschaft sind leider nur Sonntagsreden zu hören. Wir verkaufen unsere Werte und verraten unser Grundgesetz, die Menschenwürde zu achten. Das ist traurig.«

VOM MILLIONÄR ZUR HÖLLE

Die Sicht von der Strandpromenade aus ist heute besonders gut. Am Horizont sehen wir vier, fünf Schiffe, die auf Reede liegen. Robert erzählt mir von seinem Total-Absturz: »Ja, mein Absturz war gigantisch. Ich habe in Saus und Braus gelebt, tummelte mich als einer der wenigen Ausländer in der High Society und erlebte die perversen Seiten der chinesischen Geschäftswelt. Geld steht dort über allem. Man muss und will seinen Reichtum zeigen. Die Regierung in Peking macht auf kommunistisch, ist aber in Wahrheit turbokapitalistisch.«

Robert rückt seine Brille zurecht. Ich bin neugierig. Wie kam er vom Himmel in die Hölle? »Die Staatsanwaltschaft warf mir vor, mich als Mitglied der Familie Rothschild – schön wär’s – ausgegeben und Anleger mit einer »Untergrundbank« um ihr Geld gebracht zu haben. Als Schadenssumme wurden 360 Million Yuan angegeben, also knapp 50 Millionen Euro. In Wahrheit brach mein Geschäft zusammen, als ein Taiwanese 16 Millionen Dollar, die er bei mir und meiner Geschäftspartnerin angelegt hatte, entgegen der Vereinbarung auf einen Schlag zurück haben wollte. Ad hoc konnten wir nur die Hälfte aufbringen, den Rest des Geldes hatten wir fest angelegt.«

Okay, aber warum ist Robert Rother trotzdem verurteilt worden? »Ich will mich nicht heilig sprechen. Das war schon heftig, was wir gemacht haben. Aber wir haben niemanden betrogen. Die angeblichen Opfer gehörten zu den Superreichen unter den Reichen in China, die uns ihr Geld überlassen haben, um möglichst noch reicher zu werden. Wir haben bei unseren Geschäften Grauzonen und Gesetzeslücken ausgenutzt, wie es jeder in China tut. Zum Beispiel haben wir Geld zu hohen Zinsen an Regierungsbeamte verliehen, die damit Ackerland kauften, das ein paar Wochen später ganz zufällig in Bauland umgewandelt wurde und danach das Tausendfache wert war.

Das Genick hat mir vor allem meine Website gebrochen, auf der jeder Interessierte in englischer Sprache nachlesen konnte, wo sich in China Investments lohnen – noch bevor sich das Land für ausländische Investoren öffnete. Ein Freund deutete einen Monat vor meiner Verhaftung an, dass das in Peking nicht gut ankommt. Ich habe die Warnung fatalerweise ignoriert, anscheinend fühlte ich mich unverwundbar. Das grenzte schon ein bisschen an Größenwahn, muss ich im Nachhinein sagen, aber wer wollte es mir verdenken, bei dem Erfolg, den wir mit unserem Vorgehen hatten?«

HINTER GITTERN

Kurz vor Weihnachten 2018 kam Robert raus aus dem Knast, feierte mit der Familie in Dortmund eine Hochzeit. Kann er heute das Gefühl beschreiben, wie es ist, wenn sich die Gefängnistüren hinter einem schließen – und man nicht weiß, ob und wann sie sich jemals wieder öffnen? Robert holt tief Luft und erzählt: »Das Ganze war surreal. Die ersten Tage in U-Haft fühlten sich an wie ein schlechter Traum. Denn ich wusste ja gar nicht, was genau man mir vorwirft und was mich erwartet. Ich glaube – übrigens auch heute noch – immer zuerst an das Gute im Menschen. Und auch Chinesen können sich irren. Ich habe noch bis zu Beginn meines Prozesses – da saß ich schon drei Jahre im Bau – geglaubt, der Spuk werde bald enden. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.«

Wie kann man sich den Alltag in einem chinesischen Knast vorstellen? Robert überlegt nicht lange: »Als Vorgeschmack auf die Hölle. Die Haftbedingungen sind furchtbar und haben nichts mit Menschenwürde zu tun. Das Essen war eine Katastrophe, das Trinkwasser war eigentlich untrinkbar. Permanent wird man mit kommunistischer Propaganda berieselt, man vegetiert in völlig überfüllten Zellen dahin. Man hat keine Rechte und wird als Arbeitskraft und nicht als Mensch gesehen. Ein Polizist trat mich einmal von hinten in den Rücken, weil ich zu langsam marschiert bin. Das Schlimmste aber war, jeden Tag Folteropfer zu erleben. Laut Amnesty International ist in chinesischen Gefängnissen systematische Folter an der Tagesordnung.«

Und welches Erlebnis ist ihm besonders in Erinnerung geblieben? »Menschen zu erleben, die keine mehr sind, die nach Folter wahnsinnig wurden. Und dazu das Gefühl der eigenen Ohnmacht, nichts tun zu können. Mitgefühl muss man unterdrücken und verdrängen, um nicht selbst durchzudrehen.«

Die ersten drei Jahre seiner Haft hat er in einer Zelle mit 14 anderen Häftlingen verbracht. Da blieb kein Platz für -Privatsphäre. Was macht das mit einem? Robert: »Im Prinzip ging das die ganzen sieben Jahre und sieben Monate so. Ich traf ständig auf neue Leute. Das Wort Privatsphäre bekommt eine ganz neue Bedeutung, denn es gibt keine. Wir waren immer mindestens ein Dutzend Leute in einer Zelle, die permanent kontrolliert wurden. Man muss sehr schnell lernen, auf sich selbst aufzupassen und andere Menschen zu übersehen. Es ist ein Geben und Nehmen in der Zelle. Man selbst macht immer Fehler oder eckt mit »komischen« Verhaltensweisen an. Gerade in einer Zelle mit Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen. Das ist ein Pulverfass.«

Hatte er Angst vor Mitgefangenen oder gab es auch Menschen, die ihn gestärkt und ihm Kraft gegeben haben? »Ich habe brenzlige Situationen erlebt. Einmal wollte mir ein Mongole an den Kragen. Aber Angst hatte ich nicht. Das Gefühl war dahingehend eher diffus, weil man immer auf der Hut und sehr vorsichtig sein musste. Ich war umgeben von Drogendealern, Mördern, Vergewaltigern und korrupten Beamten. Aber ich habe gelernt, dass auch diese Leute Menschen sind und freundlich sein können. Ich traf auf Mitgefangene, die mich sehr gestärkt haben und von denen ich gelernt habe. Ich habe versucht, jeden Menschen so zu behandeln, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte. Das fängt damit an, nicht zu richten und einfach nur zuzuhören, was den Anderen bewegt. Es gab nette Aufseher, aber auch jede Menge Arschlöcher – wie überall im Leben.«

ROBERTS GLAUBE

Auf Wangerooge fallen einige traditionelle Osterfeiern diesmal wegen der Corona-Pandemie aus. Du erinnerst dich noch besonders gerne an die Osterfeuer und das Aufstellen des Maibaums. Ostern hat auch viel mit Glauben zu tun. Hast du im Knast zum Glauben gefunden? Wie kann man sich den Glauben vorstellen? »Glaube ist sehr wichtig, denn er ist die letzte Hoffnung, an die man sich krallen kann. Denn sonst hat man nichts. Glaube erhält dir deine letzte Würde. Glaube ist etwas, das dir von keinem Menschen genommen werden kann. Ich habe während der Haft die Bibel und den Koran gelesen, mich auch mit anderen Religionen beschäftigt, möchte den Glauben aber nicht auf eine bestimmte Konfession beschränken. Ich bin kein Esoteriker, glaube aber, dass es eine höhere Macht im Universum gibt, die Kraft spendet und Wunder bewirken kann. Aber Glaube bedeutet auch, an sich selbst zu glauben.«

In seinem Buch schreibt Robert, dass seine auf Wangerooge lebende Mutter knapp acht Jahre um ihn gekämpft, gelitten und viel Geld für Besuche und den Anwalt ausgegeben hat. Wie regelmäßig hatte er während seiner Haft Kontakt zu ihr und wie ist sein Verhältnis heute? »Heute ist unser Verhältnis sehr gut. Wir sind beide nicht mehr die gleichen Personen wie vor meiner Verhaftung.

Im Prinzip kann man von einer Neugeburt des Familiengeistes sprechen. Ich bin sehr dankbar dafür, was meine Familie und insbesondere meine Mutter für mich getan hat – und jetzt fängt das Leben für uns alle als Gemeinschaft neu an. Der Kontakt im Gefängnis war nur sehr schwer möglich, da jegliche Kommunikation von den Chinesen unterbunden wird. In den letzten fünf Jahren wurden mir nur hin und wieder fünf Minuten Telefonzeit pro Monat gewährt. Ich wurde systematisch abgeschottet von der Außenwelt. Ich habe auf den Kontakt auch bewusst verzichtet, weil ich diese Almosen nicht haben wollte und Angst vor den Gefühlen hatte, die die Besuche meiner Mutter bei mir ausgelöst haben.«

Und wie kam es zu seiner Entlassung? »Meine Haftzeit, das heißt meine Strafe, betrug eben acht Jahre. Aufgrund einer Zahlung von 180.000 Euro und »guter« Führung wurde ich fünf Monate früher entlassen. Ich kam mir vor wie ein Soldat, der von der Front zurückkehrt und ahnt, viele seiner Kameraden nie wieder zu sehen.«

In Hongkong protestieren derzeit Tausende gegen das kommunistische Regime Chinas, weil sie Angst vor einer zunehmenden Einflussnahme Pekings und dem Verlust ihrer Freiheit haben. Wie schätzt Robert die aktuelle Lage in Fernost ein? Glaubt er, dass sein Buch zur Aufklärung über die Unrechtsverhältnisse in China beitragen kann? »In China weiß jeder, wie es um das Land steht. Nur traut sich keiner, es zu sagen. Die Diktatur mit ihrem Überwachungsstaat funktioniert bestens. Die Leute in Hongkong wehren sich tapfer dagegen, dass sie diese Diktatur komplett übergestülpt bekommen. Sie kämpfen um ihr Überleben. Es steht zu befürchten, dass die Chinesen den Aufstand brutal niederschlagen und die Anführer auslöschen – und wir nur zuschauen werden, Hauptsache die Geschäfte laufen. In China selbst wird mein Buch nichts bewirken. Aber mich freut der Gedanke, dass die Chinesen vor Wut kochen, weil es erschienen ist. Ich verstehe es vor allem als Weckruf, als Appell, den Chinesen nichts durchgehen zu lassen. Aber es richtet sich auch an die Konsumenten, ganz besonders hier in Deutschland. Wir müssen uns klar machen, dass wir mit unserem Konsumverhalten das Regime unterstützen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir uns durch unseren Konsum von »billig« und »günstig«, egal wo die Sachen herkommen, belügen. Wir sind doch die, die Chinas Wirtschaftsmacht stärken. Ich bin für fairen Handel mit China. Aber China muss fair zu den Menschen sein.«

WANGEROOGE, HAMBURG, BRATISLAVA

Robert Rother wohnt auf Wangerooge mit seiner Freundin Anja, hat aber Büros in Hamburg und in Bratislava. Seine Firmen kann er online führen. »Ich habe acht Mitarbeiter.« Er macht mir gegenüber keinen Hehl daraus, dass er sich wohlfühlt, aber auch einiges vermisst. Zum Beispiel den Fußball. »Ich war immer Fan von Borussia Dortmund, habe mir sogar mal einen Ferrari in gelb-schwarzen Farben geleistet.« Robert grinst bei dem Gedanken, mal wieder auf deutschen Autobahnen Gas geben zu können.

»Nun«, sagt Robert, »das Ganze benötigt seine Zeit. Man muss sich an alles wieder gewöhnen. Speziell Entscheidungen zu treffen, so banal sie auch sein mögen, zum Beispiel was man im Supermarkt kaufen oder morgens anziehen will. Der Knast ist absolute Monotonie und Entmündigung.«

Hat er ihn verändert? Ist er ein anderer Mensch geworden? »Ja, definitiv. Ich habe heute ganz andere Sichtweisen auf das Leben und einen ganz anderen Blick auf die Welt und die Gesellschaft. Das, was Menschen in Deutschland Probleme nennen, ist für mich zum größten Teil nicht existent. Was ich nie wieder tun werde, ist, dem Geld hinterherzujagen. Das war irre und kostet unnötig Lebenszeit. Das Leben ist etwas anderes als Geldscheffeln oder materielle Werte anhäufen.«

In seinem Buch hat er den Frauen ein Kapitel gewidmet. Seine Mutter Elfie, seine ehemalige Freundin Sissi, seine Partnerin Angelina, die für lebenslangen Knast in China verurteilt wurde. Weiß Robert, wie es ihr heute geht? Nein, dazu möchte und kann er sich derzeit nicht äußern: »Ich würde die Lage von Angelina dadurch im Zweifelsfall eher verschlimmern. Ich kann nur sagen: Ich würde alles dafür geben, dass sie aus dem Knast kommt.«

Hat er denn Furcht vor möglichen Reaktionen auf sein Buch, vielleicht sogar auch vor Verfolgung und Denunziation? Was wünscht er sich persönlich für sich und sein Buch »Drachenjahre«?

Aus seinem Mund kommt ein klares »Nein«. »Wenn sowas passieren sollte, dann macht mich das eher stolz! Dann wüsste ich, das Richtige getan zu haben. Denn das war meine Absicht: Mitten in das Wespennest zu stechen! Und genau deshalb wünsche ich mir auch, dass das Buch möglichst viele Menschen lesen.«

An der Uhr der Strandpromenade verabschieden wir uns. Mach es gut, Robert!

Text: Manfred Osenberg

Fotos: Antje Pollex & Privat

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