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TEETIED

SCHNEE, EIS & DIE WÖLKCHEN

Was gibt es Schöneres, als im kalten Winter im »Pudding« oder im »Gerken« in einer gemütlichen »Tee-Ecke« zu sitzen, das heiße Getränk zu genießen und durch große Fenster den Schiffen zuzuschauen, die langsam am Horizont verschwinden?

MOIN WINTER SPEZIAL 2020

Ein Grund dafür, dass sich gerade in Ostfriesland solch ein Kult um den Tee etablierte, ist die Nähe zu den Niederlanden und der frühe Kontakt mit dem Getränk. Seefahrer der Niederländischen Ostindien-Kompanie brachten 1610 die ersten japanischen und chinesischen Tees nach Europa, genauer gesagt in Amsterdam. Zugunsten des Verzehrs von Tee ebbte der in Ostfriesland bis dato ausgiebige Alkoholkonsum ab.

»Echter« Ostfriesentee besteht aus einer kräftigen ­Schwarztee-Mischung. Die Basis bilden Assam second flush Tees, also Tees der zweiten Ernte einer Saison, die zwischen Juni und Juli gepflückt werden und eine volle, malzige Note besitzen. Dazu kommen andere Ursprünge wie Darjeeling, Ceylon und Indonesien. »Jede Marke hat ihre spezielle Komposition mit eigenem Charakter und spricht mit ihrem jeweils eigenen unverwechselbaren Geschmack unterschiedliche Tee-Trinker an«, sagt Dr. Matthias Stenger, Leiter des Ostfriesischen Teemuseums im Städtchen Norden. Das Museum klärt über die Herstellung dieser Kompositionen, die verschiedenen Teeanbaugebiete und den Teehandel auf. Exponate wie eine alte Teebeutelpackmaschine und aus Kolonialwarenläden veranschaulichen die Geschichte.

Bis zu 20 unterschiedliche Sorten kombinieren »Tea Taster« mit guter Nase und feinem Geschmack zu einer »Echten Ostfriesischen Mischung«. Eine schwierige Aufgabe; im Gegensatz zum Weinliebhaber, der jedem Jahrgang eine besondere Note zugesteht, erwartet der Teefreund, dass sein Lieblingsgetränk immer schmeckt wie gewohnt. Für Tea Taster sind selbst im Privatleben scharfe Gewürze, harte Alkoholika und Kaffee tabu, weil das ihre Geschmacksnerven beeinträchtigen könnte. 

Tee ist nach Wasser das beliebteste Getränk der Welt, weit vor Kaffee. Jochen Spethmann, bis zum Frühjahr 2020 Vorsitzender des Deutschen Teeverbandes, freut sich über die aktuelle Entwicklung, Tee sei Teil eines »hippen Lifestyles und wird immer öfter regelrecht zelebriert, etwa in Tea Lounges, Cocktailbars, Flagship Stores oder innovativen Start-ups«. Dabei bringen es die Ostfriesen mit ihrer traditionellen Variante auf einen Durchschnittsverzehr von 300 Litern pro Person und Jahr und hängen in dieser Disziplin den Rest von Deutschland deutlich ab, wo gerade einmal 28 Liter Usus sind. Sie liegen selbst vor den Teenationen Großbritannien und China und sind somit Weltmeister im Teetrinken. 

Nach dem Ostfriesischen Teezeit-Knigge sollte die Zeremonie eröffnet werden, indem man ein Stück Kandis (»Kluntje«) mit Hilfe einer silbernen Kluntjezange in die Tasse gibt. Dann wird der heiße Tee über den Zuckerklumpen gegossen, bis der Kandis knisternd zerbricht, um schließlich Sahne sanft auf dem Teespiegel abzulegen, die sich wie ein Wölkchen (»Wulkje«) ausbreiten soll.

Text: MANFRED OSENBERG

FotoS: EVELYN GENUIT + kurt Keil

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