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WASSERWACHT

KEINE SPUR VON »BAYWATCH« – DIE RETTUNGSSCHWIMMER VON WANGEROOGE

David Hasselhoff und Pamela Anderson sind out und ziemlich »Achtziger«. Das »Baywatch«-Flair sucht man auf Wangerooge denn auch vergeblich. Coole Typen sind sie trotzdem, die Jungs und Mädels von der Wasserwacht, die ihr Domizil an der Unteren Strandpromenade haben und regelmäßig zu den Badezeiten ihren Aussichtsturm am Hauptstrand besetzen. Seit 2017 ist die Wasserwacht, die Rettungsschwimmereinheit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), auf Wangerooge in der alljährlichen Badesaison im Einsatz.

MOIN NR. 4 · 2021​

Die Einsätze der ehrenamtlich tätigen Freiwilligen sind vielfältig, wenn sich von Mitte Mai bis Mitte Oktober die sonnenhungrigen Badegäste am Strand von Wangerooge tummeln. Natürlich halten die Retterinnen und Retter ständig das Meer im Blick, um rechtzeitig zu erkennen, ob jemandem beim Schwimmen die Kräfte ausgehen. Dann greifen sie sofort ein. Bei der ersten Hitzewelle Mitte Juni gab es aber auch Fälle von Menschen, die am Strand Kreislaufprobleme bekamen und versorgt werden mussten. Wenn sich jemand eine scharfe Muschelschale in den Fuß tritt oder in Kontakt mit den Nesseln einer Feuerqualle gekommen ist, stehen die Einsatzkräfte ebenfalls parat.

»Durch unsere Vernetzung innerhalb des DRK, sind wir sehr gut aufgestellt, was diese Aufgaben betrifft«, erklärt Jonny Mählmann, Wachleiter der Rettungsstation Wangerooge. »Alle, die hier tätig sind, haben die Rettungsschwimmerausbildung absolviert. Wir haben aber auch immer Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die darüber hinaus ausgebildete Notfall- oder Rettungssanitäter sind.«

Die Freiwilligen sind im Wechsel durchschnittlich ein bis zwei Wochen auf Wangerooge, werden in dieser Zeit vom DRK mit Kost und Logis versorgt, und erhalten 10 Euro Tagesgeld. »Die Leute hier kommen aus allen Teilen Deutschlands«, erzählt Sonja Eiting, die als einzige Rettungsschwimmerin und Notfallsanitäterin der Station aus dem Landkreis Friesland stammt und auf Wangerooge durch ihre regelmäßigen Aufenthalte auf der Insel  keine Unbekannte ist. »Wir sind hier ein tolles Team, auch außerhalb der Dienstzeiten. Wir frühstücken jeden Tag gemeinsam am Strand und essen alle zusammen zu Abend.« Um die Rekrutierung von Freiwilligen für die Strandwache braucht man sich auf Wangerooge dabei  keine Sorgen zu machen – auch für das kommende Jahr sind die begehrten Plätze für einen Einsatz auf der Insel bereits vergeben. 

Die tägliche Dienstzeit der Wasserwacht beginnt und endet übrigens nicht mit der Badezeit, wie mancher denken mag, weil der Aussichtsturm dann nicht besetzt ist und die rot-gelben Begrenzungsfahnen der Badezone nicht im Sand stecken, im Gegenteil: »Die meisten Unfälle passieren eigentlich außerhalb der Badezeit«, weiß Jonny Mählmann. Die »Badezeit«, die in der Regel zwei Stunden vor dem Hochwasser beginnt und mit dem Beginn des ablaufenden Wassers endet, ist von der Gemeinde Wangerooge vorgegeben. Die Ferngläser der Wasserwacht sind von der Wachstation aus aber auch außerhalb dieser Zeit aufs Meer gerichtet. »Am gefährlichsten sind in dieser Zeit die Steinbuhnen, die sich ins Meer erstrecken«, erklärt der Wachleiter. »Wer beim Schwimmen da rauf gerät, holt sich meist schwere Abschürfungen und Verletzungen, die dann von uns versorgt werden müssen.«

Gefährlich ist natürlich auch der unberechenbare Sog, den der Wechsel von Ebbe und Flut mit sich bringt, denn die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers beträgt schließlich zwischen einem und fünf Stundenkilometern. »Wir haben dabei am Strand von Wangerooge noch einigermaßen Glück«, sagt Jonny Mählmann und streicht sich über seinen leuchtend roten Seemannsbart. »Die Strömung verläuft hier grundsätzlich in einer Ost-West-, beziehungsweise West-Ost-Richtung, das heißt, man wird hier nicht so leicht auf das offene Meer hinaus gezogen, sondern eher seitwärts abgetrieben. Trotzdem ist es dann selbst für erfahrene und gute Schwimmerinnen und Schwimmer oft nicht leicht, wieder zum Strand zurück zu kommen.« Auf die Frage, was passiert, wenn doch einmal jemand mit seiner Luftmatratze weiter hinaus getrieben wird, antwortet Mählmann gelassen: »Dann haben wir in Minutenschnelle unser Schlauchboot auf dem Wasser.«

Bei dem »Schlauchboot« handelt es sich natürlich nicht um ein »knallrotes Gummiboot«, in dem seinerzeit Wencke Myhre gepaddelt ist, sondern um ein echtes Profi-Fahrzeug mit einem starken Außenborder, für das es einen Bootsführerschein abzulegen gilt. Und damit nicht genug: Außerhalb der Badezeiten werden auch erfahrene Bootsführer der Wasserwacht mit den Gegebenheiten von Wind und Wellen der Nordsee vor Wangerooge vertraut gemacht, wenn diese bisher überwiegend auf Binnenseen im Einsatz waren. Ebenso gehören regelmäßige »Mann über Bord«-Übungen zur Routine der Einsatzkräfte, um das Zusammenspiel von Besatzung und Technik in Fleisch und Blut übergehen zu lassen.

Tragische Fälle im Rettungsdienst gibt es dank der Aufmerksamkeit der Freiwilligen vor Ort auf Wangerooge glücklicherweise äußerst selten: »Den letzten bekannten Todesfall hier auf Wangerooge gab es vor gut zehn Jahren, als noch die DLRG im Einsatz war«, erzählt Jonny Mählmann. »Das war aber kein Schwimmunfall. Damals erlitt ein Mann weiter draußen im Wasser einen Herzinfarkt, da konnten auch die Kameraden nicht mehr helfen.«

Nach diesen düsteren Erinnerungen hellt sich die Miene des erfahrenen Wachleiters wieder auf, als er nach weiteren häufigen Einsatzfällen seiner Station gefragt wird. Lachend antwortet er: »Am Strand verloren gegangene Kinder. Wenn sich ein Kind am Strand verlaufen hat und seine Eltern sucht, dann kümmern wir uns auch darum.« Das ist der Rettungsschwimmeralltag auf Wangerooge – lange nicht so reißerisch wie damals bei »Baywatch«, aber nicht weniger professionell und spannend.

Text: LUTZ MEYER-PÄCHTEL

FotoS: LUTZ MEYER-PÄCHTEL

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