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WELTMEISTERLICH

DIE RECHTE EINES FLÜCHTLINGS

Zweiter Sonnabend im Oktober auf Wangerooge. Ein denkwürdiger Tag. Die Kicker des TuS freuen sich über den ersten Punkt. 3:3 gegen Wilhelmshaven. Das Wetter zeigt sich von seiner herbstlichen Seite. Und am späten Abend schauen die zahlreichen Boxfans auf der Insel am Bildschirm zu, wie Robin Krasniqi (33) im WM-Kampf gegen Titelverteidiger Jürgen Brähmer für die Riesenüberraschung sorgt.

MOIN WINTER SPEZIAL 2020

»Ich bin Weltmeister«, schreit Robin Krasniqi immer wieder nach seinem K.o.-Schlag in der dritten Runde in die Kameras. 2000 Zuschauer in der Magdeburger Getek-Arena und Millionen an den Bildschirmen staunen über das schnelle Ende des Kampfes. Die meisten gönnen es dem sympathischen Boxer, der mit seiner krachenden Rechten den Favoriten auf die Bretter geschickt hat.

Eine Sensation. Robin Krasniqi am Ziel seiner Träume, von denen er dem Autor im Sommer vor sechs Jahren erzählt hat. Von seiner schweren Kinderzeit in ärmlichsten Verhältnissen in Albanien. Von seiner abenteuerlichen Flucht nach Deutschland, wo er mit seinen Eltern in Bayern eine neue Bleibe gefunden hat. »Mit 18 begann ein neues Leben, das alles andere als leicht war«, berichtete er.

Robin zeigte mit beim Plausch auf dem Wangerooger »Platz am Meer« seine rechte Faust. »Das ist meine stärkste Waffe«, grinste der Boxer mit der krummen Nase und prophezeite: »Ich will Weltmeister ­werden!«

JETZT IST ER WELTMEISTER

Doch seit unserem Treffen 2013 auf der Insel und seinem Titelkampf im Oktober 2020 sind nicht nur sieben Jahre vergangen, sondern auch Zeiten mit sportlichen und privaten Niederschlägen. Robin hat sie abgeschüttelt wie eine lästige Fliege, aber nicht vergessen.

Robin war nicht alleine auf Wangerooge. An seiner Seite war stets die amtierende Miss Germany. Es war Liebe auf dem ersten Blick zwischen Robin Krasniqi und der vier Jahre jüngeren Carolin Noeding. Ein Traumpaar. Hand in Hand auf der ZE. Arm in Arm in den Dünen. Frühstück mit Horst Klemmer. Abendessen im »Kreta«. Das musste Liebe sein.

Mehr als ein Jahr schwebten der Boxer und die aus Hannover stammende Blondine auf »Wolke 7«. Sie hatten sich im März 2013 am Rande des WM-Kampfes von Wangerooge-Fan Arthur Abraham und Krasniqis Stallkollegen Robert Stieglitz in Magdeburg kennengelernt. Gleich mit seinem allerersten Flirtversuch hatte der in der Nähe von Augsburg beheimatete Boxer durchschlagenden Erfolg. Den Ex-Europameister im Halbschwergewicht hatte es voll erwischt: »Caro hat mich einfach umgehauen. Als ich sie das erste Mal sah, blieb mir die Luft weg – das ist mir beim Boxen noch nie passiert. Ich wusste sofort: Sie ist die Frau meines Lebens.«

WIE EIN INSELMÄRCHEN

Beim einwöchigen Inselaufenthalt kamen sie sich noch näher. Denn auch die damalige Lehramtsstudentin, die in Hannover zweisprachig aufgewachsen ist (Vater aus Peru, Mutter aus Kolumbien), trafen Armors Pfeile mitten ins Herz. »Ich genieße es sehr, mit Robin zusammen zu sein. Ich habe einen Mann gefunden, der nicht eifersüchtig auf meine beruflichen Verpflichtungen ist. Er weiß, dass man hart arbeiten muss, um Erfolg zu haben«, gestand Deutschlands schönste Frau.

Alles schien perfekt. Doch das Liebespaar tanze nur knapp zwei Jahre durch den Ring des Lebens. Krasniqi gab dem Boxen den Vorrang »Ich hatte gemerkt, dass ich mein Boxerherz an sie verliere und auf dem besten Wege war, meine Ideale zu verraten.« Ja, das sportliche Ziel war in Gefahr geraten, während das Paar über Monate versuchte, die eigenen Karrieren und die Beziehung irgendwie unter einen Hut zu bekommen. »Es war sozusagen fünf vor Zwölf für meinen größten Traum, Weltmeister zu werden«, beschrieb der Profi seine innere Zerrissenheit.

Als die Freundschaft in die Brüche zu gehen drohte, kam noch einmal Unterstützung von Wangerooge. Miss-Macher Horst Klemmer finanzierte Carolins Reise nach London, wo Robin seinen ersten WM-Kampf bestreiten musste. Doch die Schöne brachte dem Boxer kein Glück. Auch die Pendelei zwischen dem Liebesnest in Hannover, dem Trainings-Gym in Magdeburg und dem Wohnort Bayern wurde immer mehr zu einer Belastungsprobe.

Krasniqi erinnert sich: »Uns ging es beiden nicht gut mit der Situation, wir hatten nur wenig Zeit für einander. Wir haben uns dann zusammengesetzt und über alles in Ruhe gesprochen. Caro und ich haben eingesehen, dass es schiefgehen wird, wenn wir gegen alle Vernunft weitermachen.« Folge: Sie zogen schweren Herzens einen Schlussstrich unter ihre Lovestory. »Es war die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Aber wir wollten uns nicht gegenseitig wehtun und lieber auseinandergehen, wenn es am schönsten ist«, redete sich der neue Weltmeister damals ein, das Richtige getan zu haben. Caro war wohl die richtige Frau, aber zur falschen Zeit.

Im November 2020 denkt er nicht mehr über giebrochene Herzen nach. Robin hat längst eine neue Frau an der Seite, die ihm auch in Magdeburg die Daumen gedrückt hat. Und er ist mächtig stolz auf den WM-Gürtel, den er nach zwei bitteren Niederlagen endlich im Halbschwergewicht gewonnen hat.

Eine Miss verloren, aber als Flüchtling glaubte Robin immer an seine Rechte.

Text: MANFRED OSENBERG

Fotos: KLAUS SCHULTES

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