Previous slide
Next slide

DAS PORTRÄT

VIERZIG JAHRE LEBENSRETTER: PETER BEHSE AUF DER INSEL

Als Peter Behse 1941 auf die Welt kam, war diese in ziemliche Unordnung geraten. Es waren die wohl denkbar schwierigsten Jahre einer Kindheit, die noch vor ihm lagen. Wangerooge wurde erst weitgehend zerstört, nach Kriegsende begann dann rasch der Wiederaufbau. Mit dem langsam einsetzenden Fremdenverkehr prosperierte auch das Seebad Wangerooge erneut.

MOIN NR. 1 · 2022

Peter begann nach Beendigung der Schule eine Lehre als Maurer. Denn gemauert werden musste in den 1950er Jahren viel auf der Insel. Sein Kollege Meinhard Wolken, der die Rettungsschwimmerei der 1950er Jahre auf Wangerooge maßgeblich prägte, erkannte Peters sportliche Veranlagung und machte ihm den Vorschlag: »Peter, komm im Sommer an den Strand, aus dir könnte ein guter Rettungsschwimmer werden«. So kam es, dass Peter Behse 1961 erstmals eine Saison lang den Rettungsdienst auf dem Badeturm versah.

Als Meinhard Wolken sich vom Strand zurückzog, übernahm der spätere Bürgermeister Dieter Gebhards kurzfristig die Leitung der Strandbäder. Diese Aufgabe übertrug er Mitte der 60er Jahre dem »Neuen«, nämlich Peter Behse, der 1966 in Hannover die notwendige Qualifikation als Schwimmmeister erworben hatte.

Bis 1976 arbeitete Peter jeden Winter in seinem erlernten Beruf und war nur vom Frühjahr bis zum Herbst bei der Kurverwaltung angestellt. »Wenn im Frühling die Sonne höher stand, wurde ich immer unruhig und wollte wieder an den Strand«, erinnert er sich. »Ab Mai kamen auch die ersten Rettungsschwimmer vom Festland und wir begannen mit dem Aufbau der Strandbäder und der Herrichtung des Freibads«. Erst ab 1977 wurde Peter ganzjährig auch für das Hallenbad verantwortlich.

EINE NEUE HERAUSFORDERUNG

Als Leiter musste Peter Behse jede Woche die Dienstpläne für die Rettungsschwimmer schreiben. »Wir hatten ja nicht nur die Badezeiten zu beaufsichtigen, auch die Reinigung und die Aufsicht des Freibades sowie des Hallenbades musste organisiert werden«, beschreibt Peter seine Tätigkeiten. »In den Sommermonaten war auch außerhalb der Badezeit immer eine Strandwache unterwegs – und das Strand-Rettungsboot war stets einsatzbereit zu halten.« Das Rettungsboot erwies sich dabei als großes Problem, denn die Boote wurden von Verwaltungsangestellten bestellt, die von den Anforderungen vor Ort wenig wussten. Peter aber musste die nur bedingt tauglichen Boote in Situationen höchster Gefahr einsetzen.

»In den ganzen Jahrzehnten hatten wir auf Wangerooge während unserer Aufsichtszeiten keinen einzigen Ertrinkungstod beklagen müssen«, sagt er. Der Grund dafür lag nicht zuletzt darin, dass Peter seine Rettungsschwimmer-Kollegen selbst mit den tückischen Bedingungen der Nordsee vertraut machte. Jeden Tag, egal wie das schlecht das Wetter oder wie kalt die Nordsee war, wurde nach der Badezeit im Meer trainiert.

Jochen Folkerts, einer der Schwimmer der 1970er und frühen 1980 Jahre erinnert sich an seine erste Saison: »Meine ersten Wochen als Rettungsschwimmer 1975 verbrachte ich mit Peter auf dem Hauptbadeturm. Er wollte natürlich erstmal gucken, wer ich bin und was ich kann. Nachdem ich Peter von meinen Fähigkeiten hatte überzeugen können, entließ er mich als vollwertig akzeptiert in die Sozialkompetenz des erfahrenen Kollegen Udo Flörcke ins Ostbad. Während der nächsten sechs Sommer war Peter für mich immer der »Boss«. Gelernt habe ich von ihm, was Verantwortung, Kameradschaft und Zuverlässigkeit bedeutet. Er hatte immer ein offenes Ohr, einen guten Blick für die Arbeit am Strand und wer mit wem auf dem Turm gut zusammenpasste. Nach all den Jahren ist er für mich der Inbegriff und die Symbolfigur für das Wangerooger Rettungsschwimmer-Wesen. Ich denke, ohne ihn würde es auch die noch heute regelmäßig stattfindenden Treffen nicht geben.«

TEAMWORK MAKES THE DREAM WORK

»Nur zusammen waren wir stark«, weiß auch Peter noch heute, »denn ohne das absolute Vertrauen in jeden Einzelnen hätten wir unseren Badegästen gar nicht die Garantie bieten können, dass wir sie aus jeder Lage bergen können.« Viele Urlauber sind von Peter und seinen Kollegen aus heiklen oder gar lebensgefährlichen Situationen gerettet worden. »Besonders an einen Einsatz erinnere ich mich gut. Ein Badegast klammerte sich in höchster Not und bei starker Brandung an den Tauen fest. Und er wollte partout nicht loslassen, um sich von mir an Land helfen zu lassen. Erst nach meinem Vorschlag, er möge sich doch noch drei Stunden festhalten, dann könne er zu Fuß zu seinem Strandkorb gehen, vertraute er mir und ich brachte ihn unbeschadet an Land.« Gefahrenmomente antizipieren zu können, war eine Fähigkeit, die Peter wie kaum ein Zweiter besaß. Wenn er zu seinem Turmkollegen sagte: »Heute müssen wir ganz besonders aufpassen. Die Strömung ist gefährlich und wir werden bestimmt noch einen Einsatz schwimmen müssen«, dann brauchte der sich gar nicht erst warm anzuziehen.

Hunderte von Kindern haben im Laufe der Jahrzehnte bei Peter Behse im Freibad Schwimmen gelernt. Im Schwimmbecken, das erst ab 1967 beheizt wurde, herrschte meistens großer Trubel. Fast alle Rettungsschwimmer erteilten außerhalb ihrer Arbeitszeit Schwimmunterricht. »Wichtig war, dass die Kinder Vertrauen zu uns hatten. Dann ging das Lernen fast von selbst, und nach wenigen Tagen schafften die meisten schon den Freischwimmer«, erinnert sich Peter. »Auch die Eltern waren voller Stolz auf ihre Kinder und schätzten unsere Anstrengung sehr.« Im Winter lehrte er zusammen mit seinen DLRG-Kollegen Inselkindern das Schwimmen. Seit nunmehr sechzig Jahren gehört Peter der DLRG ­Wangerooge an.

DAS ENDE EINER ÄRA

Mit dem Ende des Berufslebens Peter Behses im September 2001 ging auch die Zeit der von der Gemeinde angestellten professionellen Rettungsschwimmer zu Ende. Zu seiner allerletzten Badezeit hatten sich seine Ex-Kollegen etwas ganz Besonderes ausgedacht. An diesem Tag im September saßen Peter und Martin Borowy auf dem Hauptbadturm, die letzten Minuten Peters letzter Badezeit verstrichen bei herrlichem Herbstwetter. Martin Borowy erinnert sich noch genau an diesen Tag: »Ja, ich war aufgeregt wie ein scheues Reh. Wir hatten auf dem Turm zur Feier von Peters letzter Badezeit ein Gläschen Sekt getrunken. Peter hat nicht das Geringste von den angereisten Ex-Schwimmern mitbekommen. Als ich ihm beim Einholen der Badeflagge sagte, er müsse mal rauskommen, um sich was auf der Promenade anzusehen, war er erst etwas ungehalten und hat sich dann gewundert, wieso ich ohne einen einzigen Badegast so energisch in mein Signalhorn blies. Auch noch in die falsche Richtung… Dann dämmerte es ihm aber, und er kam noch ziemlich schnell rauf auf die Bank!« Von der Strandpromenade her kam das Echo von mehreren Dutzenden angeblich verloren gegangener Badetröten. Seine Schwimmerkollegen aus vier Jahrzehnten hatten sich heimlich verabredet, um gemeinsam mit Peter diesen Moment des Abschieds zu begehen.

Von 1961 bis 2001 dauerte Peter Behses Rettungsschwimmer-Zeit, die er ganz lapidar mit den Worten zusammenfasst: »Dat hebb wi allns good hinkregen«. Was er für die Insel, die Wangerooger, die Gäste und seine Schwimmerkollegen in diesen vierzig Jahren geleistet hat, kann in diesem kleinen Rückblick gar nicht genug gewürdigt ­werden.

TEXT: AXEL STUPPY

FOTOS: PRIVAT

Diese Website verwendet Cookies – nähere Informationen dazu und zu Ihren Rechten als Benutzer finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Klicken Sie auf „Ich stimme zu“, um Cookies zu akzeptieren und direkt unsere Website besuchen zu können.