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KENNEN SIE NOCH DEN CITY GRILL?

Gäbe es einen Preis für den wohl unpassendsten Namen eines gastronomischen Betriebes auf Wangerooge – Günther Kraft mit seinem »City Grill« wäre sicherlich einer der aussichtsreichsten Kandidaten dafür gewesen.

MOIN NR. 3 · 2020

Nun, urbane Atmosphäre hätte man gewiss vergeblich gesucht beim Betreten des »City Grill« in der Charlottenstraße. Und auch ein kosmopolitisches Publikum sollte man nicht erwartet haben, wenn man erst einmal die sieben Stufen zum Eingang des Imbiss erklommen hatte.

Auf der Suche nach einem ausgesprochen leckeren Grillhähnchen jedoch wurde man in diesem Lokal fündig. Wie auch nach einer Currypommes oder einem Schaschlik mit doppelt Sauce. Nein, es war nicht die haute cuisine, die hier gesucht oder serviert wurde. Es war die eher schnelle und einfache Küche, mit der kein Gast vor Kollegen prahlte, an der aber hin und wieder kein Weg vorbei ging. Der »City Grill« war gewiss keine angesagte Location, an dem Coolness, erotische Anbandlung oder intellektueller Austausch im Vordergrund standen.

Betrieben wurde der City-Grill von Günther und seiner Frau Hannelore Kraft. Nicht nur der Grillimbiss wurde von ihnen bedient, Günther Kraft war Schlachter und belieferte aus seiner Fleischerei auch viele der Kinderheime der Insel mit Schnitzel, Goulasch, Würstchen und Schweinebraten. Im Souterrain des Lokals befand sich der unerwartet große Arbeitsraum, die den Bedarf des Imbisses bei Weitem übertraf. Es war Günthers Reich, in dem seine Filets abhingen, er seine Würstchen fabrizierte, in Fleischerdingen wirbelte und mit seinem Helfer Jükie allerlei, zumindest für Außenstehende, Geheimnisvolles vollzog. »Mir geht es gut, ich hab’ ’ne Schaschlikbud« sagt der Volksmund, und als Günther Kraft das Haus Kiessing in der Zedeliusstraße erwarb, wunderte sich so mancher Insulaner, wie man mit Würstchen ein solches Wohlstandsniveau erreichen könne.

»’Ne Rund knobeln?« war wohl die Zauberformel zum Zugang des inneren Kreises der City-Griller, der Stammgäste dieses Lokals. Wenn Maggi, der Wirt des Tschako, sagte, er müsse sich eben mal um die Bestellung für den Abend kümmern, dann traf man ihn kurze Zeit später mit ziemlicher Gewissheit am Tresen des City-Grills an, einen Knobelbecher in der rechten, seine Bestellung in der linken Hand. Im City-Grill saß er dann gemeinsam mit anderen Insulanern, die dem gleichen Hobby nachgingen wie er. Nach Feierabend trudelten sie täglich ein, die Maler und Klempner, die Maurer und Elektriker der Insel. Und selbst in alten Wangerooger Mythen, wie beispielsweise über die Entstehung der karibischen Reggae-Musik, spielt der City-Grill eine unerwartet tragende Rolle. Aber das ist ja wieder eine ganz andere Überlieferung.

Die Fritteuse des City-Grills ist schon längst erkaltet und die Knobelbecher auf dem Tresen sind schon so lange verschwunden wie der Grillimbiss selbst. Nur wenig Menschen erinnern sich noch an dieses Lokal mit dem für eine Insel doch recht merkwürdigen Namen. Das ist äußerst bedauerlich, denn es war ein nicht unbedeutender Teil des Wangerooger Lebens der 1970er und 1980er Jahre. Und sein sympathischer Wirt ist völlig zu Unrecht vergessen. Für alle, die sich jedoch noch an ihn erinnern, war er ein richtig netter Kerl.

Text: Axel Stuppy

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