VOR 40 Jahren
Feuerschiff »Weser«
Die unzähligen Lichter, die jede Nacht vom Wangerooger Strand aus sichtbar auf der Nordsee leuchten, sind immer wieder ein äußerst eindrucksvoller Anblick. Die Leuchttürme Mellumplate, Roter Sand und Alte Weser, die Fahrwassertonnen der Jade- und der Wesermündung, das Leuchtfeuer von Helgoland und natürlich die Schiffe, die auf der Reede Neue Weser Nord liegen und auf einen neuen Auftrag warten. Und über allen Lichtern glitzert auch noch der grandiose Sternenhimmel!
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Bis vor genau vierzig Jahren war unweit der Reede noch ein weiteres markantes Licht zu sehen, das des Feuerschiffs »Weser«. Bereits 1818 wurde an der Position vor Wangerooge das erste Feuerschiff zur Sicherung des Weserfahrwassers ausgelegt. In der Anzeige für Seefahrer hieß es dazu: »Es ist daran kenntlich, dass es zwey Masten, nämlich einen Großen- und einen Besanmast hat, und das während der Tageszeit von dem Topp des Großen Masts, eine weiße Flagge, worin ein rothes Kreuz befindlich, weht. In der Nacht aber wird auf demselben ein Laternenlicht, etwa 28 Fuß hoch, unterhalten, welches bey reiner Luft in einer Entfernung von ¾ deutscher Meile sichtbar ist.«
1874 und 1888 wurde das alte Schiff jeweils durch einen leistungsfähigeren Neubau ersetzt. Auf dem Feuerschiff waren auch Lotsen stationiert, die ankommende Schiffe in ihre Bestimmungshäfen begleiteten. Bei Kriegsbeginn 1914 wurde das Feuerschiff in den Hafen verholt und erst 1920 wieder ausgelegt.
Das letzte Feuerschiff »Weser« lief 1907 als »NORDERNEY I« für das Tonnen- und Bakenamt Bremen vom Stapel und wurde zunächst als Reservefeuerschiff für andere Stationen in der Nordsee und auf der Elbe eingesetzt. 1954 wurde beschlossen, es als Feuerschiff »Weser« in die Wesermündung zu legen. Waren nach der ersten Probephase noch zahlreiche Verbesserungen notwendig, kam es 1956 auf seine endgültige und letzte Position, etwa sechs Seemeilen nördlich von Wangerooge.
Zwei Besatzungen mussten sich auf dem 52 Meter langen Schiff in vierzehntägigem Rhythmus an Bord abwechseln. Neben dem Kapitän gab es einen Maschinisten, einen Elektriker und einen Schlosser, ein Maler musste Rost entfernen und das Schiff in Farbe halten, Matrosen für Hilfsdienste und vor allem den Smutje. Denn die Stimmung an Bord eines jeden Schiffes fällt oder steigt mit der Qualität des Essens. Nur einen Navigationsoffizier brauchte man an Bord natürlich nicht. So gehörten zur Crew acht Mann.
Feuerschiffe waren, gänzlich unromantisch betrachtet, nicht mehr als normale Seezeichen. Das Feuerschiff »Weser« war Teil eines Leitsystems, das ankommenden und auslaufenden Schiffen die sichere Navigation in der Außenweser von und nach Bremerhaven und Bremen und der Jade nach Wilhelmshaven ermöglichte. In bestimmter Peilung des Feuerschiffs zum Leuchtturm Wangerooge und dem Leuchtturm Roter Sand, ab 1964 dem neuen Leuchtturm Alte Weser, konnte das teils enge und schwierige Fahrwasser gefahrlos benutzt werden. Radar- oder später GPS-gesteuerte Leitsysteme gibt es ja erst seit wenigen Jahrzehnten.
»Jeden einzelnen Tag zur Badezeit blickten wir mit unseren Ferngläsern auch mal zum Feuerschiff«, erinnert sich der frühere Wangerooger Rettungsschwimmer Ulli Kossack an seine aktive Zeit in den 1970er und 80er Jahren. »Bei auflaufendem Wasser lag das Feuerschiff an seiner Ankerkette mit dem Bug nach Westen. Wenn es sich dann langsam zu drehen begann, wussten wir, dass in der Wesermündung bereits die Ebbe eingesetzt hatte – und auf Wangerooge immer noch Flut war.«
BESUCHSFAHRTEN
»Der Besuch des Feuerschiffs war immer einer der Höhepunkte jeder Saison«, weiß auch sein früherer Kollege Helle Dirks noch. »Mit dem Strandrettungsboot »Gesina« und später mit der »Wilhelm Hübotter« steuerten wir mindestens einmal im Sommer das Feuerschiff an und verbrachten einige sehr launige Stunden gemeinsam mit der Crew an Bord.« Und ihr Kollege Axel Stuppy weiß auch, wem sie das zu verdanken hatten. »Diese tollen Fahrten hätte es ohne unseren Freund Hermann de Bloom, den damaligen Vormann des Wangerooger Rettungsbootes, nie gegeben. Wir werden ihm niemals vergessen, dass er uns diese Erlebnisse ermöglicht hat.«
Die Kosten zum Unterhalt von Feuerschiffen stiegen mit den Jahren immer stärker, insbesondere die Personalkosten. Deshalb begann man schon Ende der 1970er Jahre mit dem Probelauf einer unbemannten Großtonne unweit der Position des Feuerschiffs »Weser«. Am 22. September 1981 wurde das Feuerschiff dann aufgelegt und durch eine Großtonne ersetzt. Nur einen Tag später fuhr die »M.S. Wangerooge« ein letztes Mal mit Gästen zur Verabschiedung zum bis über die Toppen beflaggten Feuerschiff.
Ein ähnliches Schicksal wie das der »Weser« ereile 1986 auch das Feuerschiff »Deutsche Bucht« und 1988 das Feuerschiff »Elbe 1«. Die Kosten einer unbemannten Großtonne belaufen sich lediglich auf etwa ein Zehntel derer eines bemannten Feuerschiffs.
1983 übernahm die Segelkameradschaft Klaus Störtebecker e.V. in Wilhelmshaven das Feuerschiff. Die »Weser« lag am Bontekai und war als Restaurant- und Hotelschiff für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Viele Touristen wurden von dem knallroten maritimen Schmuckstück angezogen. Der Verein konnte im Laufe der Jahre jedoch die hohen Unterhaltskosten nicht mehr aufbringen und das ehemalige Feuerschiff verfiel zusehends zu einem Schandfleck. 2017 wurde es in den Handelshafen verholt, wo es in seinem jämmerlichen Zustand wenigstens vor touristischen Blicken verborgen liegt. Eine bessere Zukunft für das Schiff wird hin und wieder noch prophezeit, aber lediglich in nicht mehr als vagen politischen Sonntagserklärungen.
Auch wenn die Zeit der Feuerschiffe unwiederbringlich vorbei ist, so ist es doch ein Jammer, dass solche historischen Pretiosen einfach verkommen. Denn es geht auch anders, Beispiele finden sich genug. Man braucht nur den guten Zustand beispielsweise des Feuerschiffs »Deutsche Bucht« in Emden anzusehen, die »Borkumriff« auf Borkum oder in Hamburg die »Elbe 3«. Bleibt nicht mehr als zu hoffen, dass auch für das Feuerschiff »Weser« eines Tages wieder bessere Zeiten beginnen.
Die Stadt Wilhelmshaven als Eigentümerin erklärt aktuell dazu, dass die Sanierungskosten auf etwa 1,5 Millionen Euro geschätzt werden. Bundesmittel seien beantragt und bereits 2021 soll mit der Sanierung begonnen werden.