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VIEL LÄRM UM WENIG

Das Experiment auf Wangerooge hat gezeigt, dass es ohne Kupfermünzen (noch) nicht läuft. Die Kartenzahlungen haben in der Corona-Krise zugenommen. Doch vor allem ältere Bewohner der Insel haben damit Probleme.

MOIN NR. 1 · 2021

Die Leserinnen und Leser der MOIN wissen: Seit gut einem Jahr wird Wangerooge nicht mehr mit kleinem Münzgeld beliefert – doch verschwunden sind die Kupfermünzen von ein, zwei oder fünf Cent nicht. Bis November 2019 mussten die Kaufleute ihr Wechselgeld teuer von der Bank besorgen. Nun beschaffen sie es sich aufwendig selber.

Die Einzelhändler haben längst eine Lösung gefunden: Wer viel Münzgeld habe, gebe dem anderen etwas ab. Oder ein Händler holt für mehrere Kollegen Münzen vom Festland. Auch die Pandemie hat offensichtlich das Problem entschärft. Und: Der Trend geht ohnehin zum digitalen Zahlungsverkehr.

Rüdiger Mann, Inhaber des Frischemarkts, weiß, dass die jungen Leute mit Karte bezahlen: »Wir haben einen spürbaren Anstieg bei Kartenzahlungen gehabt.«

Ausgangspunkt war die Entscheidung der Volksbank Jever, die als einzige noch mit einer Filiale auf Wangerooge vertreten ist, kein Kupfergeld mehr zu liefern. Die Bank habe keine negativen Rückmeldungen von der Insel bekommen, sagt Vorstand Martin Schadewald. Für die Bank und die Kunden sei der Umgang mit dem Kleingeld zu teuer gewesen. Die Kosten für Transport, Zählen, Prüfen und Verpacken der Münzen hätten den Geldwert überstiegen.

Hotels, Restaurants, Boutiquen – die meisten Unternehmen auf Wangerooge rechnen ohnehin nur mit Euro, nicht mit Cent. Aber in den Supermärkten, in der Bäckerei, Apotheke oder im Buchladen spielt das Wechselgeld eine Rolle. Die Diskussion mit Kunden, ob ein Betrag auf- oder abgerundet wird, ist vielen Geschäftsleuten zu mühselig.

Die Realität: Der Mann vom Frischemarkt, der auch auf Juist zwei Lebensmittelläden betreibt, bringt die verpackten Münzrollen jetzt von Ausflügen aufs Festland mit. Dazu hätten viele Insulaner ihre Spardosen mit Cent-Münzen vorbeigebracht.

Und wie ist es beim Nachbarn, dem ebenfalls in der Charlottenstraße »beheimateten« Inselmarkt? Inhaber Ralf Lammers hat einen Automaten aufgestellt, in dem man Kleingeld einwirft und wie bei der Pfandrückgabe einen Einkaufsbon bekommt.

Bleibt die Frage: Kann Wangerooge eine Vorreiterrolle spielen bei einem vollständigen Verzicht auf Bargeld? Das ist wohl ein Projekt der Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Volksbank würde es auf jeden Fall begrüßen.

Übrigens: Das Experiment auf Wangerooge hat Vorbilder. In Euro-Ländern wie Finnland, Irland und den Niederlanden spielen Münzen von ein oder zwei Cent schon keine Rolle mehr. In der EU-Kommission gibt es Überlegungen, sie vollständig abzuschaffen. Andererseits hängen gerade die Deutschen an ihrem Bargeld. Versuche, in kleineren Städten am Festland auf die Kleinmünzen zu verzichten, sind gescheitert …

Text: MANFRED OSENBERG

FOTO: EVELYN GENUIT

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