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GEBOREN AUF WANGEROOGE

NINA HOFMANN (GEB. 1971)

So viele schöne Erinnerungen habe ich an Wangerooge, und niemals werde ich die tollen Menschen vergessen, denen ich auf der Insel begegnet bin! Mein jetziges Zuhause liegt in Bayern, aber meine ganze glückliche Kindheit habe ich auf Wangerooge verbracht. Zusammen mit meinen Eltern Hannelore und Detlef wohnten wir in der Charlottenstraße im Haus »Wanderdüne«. Ach ja, damals hieß ich natürlich noch Nina Engelmeier.

MOIN NR. 4 · 2021​

Als Kind hatte ich mir immer Geschwister gewünscht – und tatsächlich war es endlich so weit, als ich zehn Jahre alt war. Ich war total glücklich, als wir zusammen das erste Mal mit meinem vier Wochen alten Bruder unterm Tannenbaum saßen. John-Paul und ich hatten immer eine sehr enge Beziehung und meine Rolle als »große« Schwester gefiel mir gut. Ich habe viel auf ihn aufgepasst und so gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Ansonsten war ich ein ziemlicher Wildfang. Es war herrlich, so völlig frei in den Dünen laufen zu können oder auf den Buhnen Muscheln zu sammeln. Wie gerne war ich in der Natur! Ich hatte bei all dem gar kein Zeitgefühl, wichtig war nur, dass ich zu Hause war, wenn es begann, dunkel zu werden.

Gemeinsam mit meiner Freundinnen-Clique, mit Katja, Tina, Corinna, Kristin, Steffi und Angela, gingen wir bei schönem Wetter natürlich auch ins Freibad oder an den Strand. Und mit Nathalie natürlich. Es war immer ganz spannend, bei den waghalsigen Surfern zu liegen und ihren Gesprächen zu lauschen. Meinem Papa gehörte damals die Surfschule und ich durfte manchmal im Kiosk aushelfen. »Sturm mit Wind« wollten immer alle trinken und haben sich regelmäßig im Spaß darüber beschwert, dass »vieeeel zu wenig Sturm im Wind«, also Rum im Kakao, war.

Einmal bin ich mit meinem Opti (Kinderjolle, d. Red.) abgetrieben und war schon fast im Jade-Fahrwasser beim Pegel, als mein Vater mich auf seinem Surfboard einholte und sicher zurück an den Strand brachte. Dabei dachten alle, wir machen das aus purem Vergnügen – nur meine Mutter ahnte, dass irgendwas überhaupt nicht so war, wie es sein sollte.

Als ich größer war, wollte ich auch einen Segelsurf-Schein machen, aber bei mir war Detlef immer ganz besonders streng. Und ehrlich gesagt, zweifle ich heute auch ein wenig an meinem damaligen Eifer und Ehrgeiz. Aber irgendwann hat sich meine Mutter vehement für mich eingesetzt, und ich erhielt mein Zertifikat. Mein Papa hat mich oft zum »City Grill« oder zum «Pinguin« geschickt, um für die Familie Hähnchen mit Pommes zu holen. Ich kann mich noch an den intensiven Geruch nach Imbiss in meiner Kleidung erinnern, der aber zum Glück weitgehend verschwunden war, als ich wieder zu Hause ankam.

Viel besser roch es an dem kleinen Verkaufsfenster der Bäckerei Bolte, wo superleckeres Softeis verkauft wurde. Den Duft nach Softeis habe ich immer noch in der Nase, wenn ich heute am inzwischen verwaisten Eisfenster vorbeikomme. Besonders beliebt waren unter den Schülerinnen und Schülern damals Dünenrallyes in den Osterdünen. Wenn ich daran noch denke … Mit zwei Freundinnen hatten wir heimlich in fremden Gärten Äpfel gepflückt. Dann schlichen wir hoch auf den alten Leuchtturm und haben die Äpfel einfach die Treppe runterkullern lassen. Von ganz oben bis ganz unten, alle 161 Stufen. Wie gut, dass unsere Eltern niemals von unserer Apfelmus-Aktion erfahren haben!

Ich war auch immer gerne im Inselkino. »Ghostbusters« wurde gespielt und »Gremlins«. Bei »Gremlins« bin ich vor Angst ja fast im Sessel verschwunden. Manchmal hatte ich Glück und der Filmvorführer Helmuth ließ mich einen Teil des Films durch das Projektionsfenster angucken. Warum ich das damals so aufregend fand, weiß ich jetzt auch nicht mehr so genau. Vielleicht habe ich ja ein bisschen für den netten Filmvorführer geschwärmt?

Als mein Elternhaus renoviert wurde, zogen wir vorübergehend in eine Wohnung über dem »Ahoi« im Monopol. Nachts schien alle fünf Sekunden das rote Rundumfeuer des Neuen Leuchtturms in mein Hochbett. Den gleichmäßigen, beruhigenden Lichtschein sehe ich manchmal noch in meiner Erinnerung. In der Abschlussklasse waren wir nur zu fünft, als ich mit fünfzehn Jahren die Schule beendete. Nun musste ich die Insel verlassen und die Berufsschule in Wilhelmshaven besuchen. Lediglich die Wochenenden verbrachte ich noch auf Wangerooge. Wie schwer fiel der Abschied jeden Sonntagabend, ganz besonders von meinem Bruder John-Paul!

Viele Jahre bin ich jedes Jahr zum 6. Januar mit einem selbstgebastelten Geschenk und meiner Mundharmonika zurück auf die Insel gefahren, um meinem früheren Lieblingslehrer Herrn Flossmann zum Geburtstag zu gratulieren. Er hat meine Talente mit viel Lob gefördert, ich empfand ihn als einen großartigen Lehrer und Menschenfreund, der nach meinem 5. Schuljahr in Pension ging. Auch er war ein starker Anker für meine Heimatgefühle.

Als ich mehrere Jahre nicht nach Wangerooge gekommen war, hatte ich Sorge, ich könne mich auf der Insel vielleicht nur noch als Feriengast fühlen. War ich zu einer Fremden geworden? Die ersten Begegnungen mit früheren Freunden, die mich mit Freudentränen begrüßten, waren so unglaublich schön für mich und haben mir gezeigt: Auch wenn Wangerooge nicht mehr meine erste Heimat ist, ein Teil von mir und meiner Geschichte wird die Insel immer bleiben.

Text: NINA HOFMANN

FotoS: PRIVAT

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