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HARLE-HÖRN IN GUTER ERINNERUNG

Keine vier Kilometer vom trubeligen Dorf entfernt liegt zwischen Westturm und Neuem Leuchtturm das ruhigere Wangerooger Westdorf. Dort gibt es nicht nur Kinder- und Schullandheime; etwa beim Dünenübergang zum Badehäuschen stehen auch drei Privathäuser. Sie wurden, honi soit qui mal y pense, Ende der 1960er Jahre etwa zeitgleich mit dem Neuen Leuchtturm erbaut.

MOIN NR. 3 · 2021

Als Friedrich Wilhelm und Annelore Petrus 1970 zurück auf die Insel zogen, beherbergte eines dieser Häuser das Lokal »Sturmeck«, das die damaligen Eigentümer mit nur wenig Fortune bewirteten. Es wurde Petrus zum Kauf angeboten und sie griffen kurzentschlossen zu.

»Wir wollten hier eigentlich einen Reitstall aufbauen und erhielten von der Gemeinde auch gleich eine begeisterte, wenn auch nur mündliche Zusage«, berichtet Friedrich Petrus. Die wurde dann aber ganz überraschend wieder zurückgezogen. Da firmierte das Lokal bereits unter dem neuen Namen »Reiterklause«.

Petrus hatte anfänglich die sieben Fremdenzimmer an Privatpersonen, später dann an Gruppen vermietet. »Anfragen von privaten Urlaubern kamen eigentlich nur, wenn im Dorf alles rappelvoll war. Aber in einem Haus zusammen mit fünfundzwanzig äußerst lebhaften Kindern zu wohnen – das wurde uns dann doch zu viel«.

Heute nur noch schwer vorstellbar – für die Urlauber des Westdorfs gab es zu Beginn der 1970er Jahre unterhalb des Rüstringer Heims noch einen kleinen bewachten Badestrand mit einer Handvoll Strandkörben, der selbst bei Hochwasser trocken lag.

Der Start des Lokals verlief eher verhalten. »Wir hatten anfangs eine etwas mickrige Karte, eigentlich nur das, was alle anbieten«, sieht Wilhelm Petrus die damaligen Bemühungen eher kritisch, »aber dann wollten wir unseren Gästen lieber etwas anderes anbieten. Deftige Hausmannskost, Gerichte, die im Dorf niemand auf der Karte hatte: Erbsensuppe, Grünkohl, Labskaus. Der absolute Renner jedoch wurde unsere Muschelpfanne aus gebratenen Miesmuscheln«. Plötzlich herrschte Andrang in der »Reiterklause«. Wobei der Andrang immer abhängig von der Witterung war. Bei Sonnenschein tummelten sich die Urlauber am Strand, aber wenn es mal trübe oder regnerisch war, was ja auch auf Wangerooge bisweilen vorkommen soll, war der Laden voll.

Manchmal hatten sich auch Vereine oder Gruppen aus dem Dorf angemeldet, die bei Petrus essen wollten. »Oh je, da fallen mir gleich die rustikalen Labskaustouren der Rettungsschwimmer ein«, muss Petrus bei der Erinnerung an das bacchantische Treiben immer noch etwas gequält schmunzeln. Mit den Leitern der Schullandheime hatte Petrus vereinbart, keine Zigaretten und keinen Alkohol an die Jugendlichen zu verkaufen. »Aber die Bengels waren ja auch nicht dumm«, erinnert sich Petrus, »der Größte und Älteste wurde vorgeschickt, um für die anderen einzukaufen. Das haben wir natürlich schnell spitzgekriegt und unterbunden. Und den außen angebrachten Zigarettenautomaten haben wir auch flugs wieder demontiert«. Als Petrus später einen kleinen angrenzenden Kiosk eröffnete, war auch hier klar: kein Bier, kein Schnaps, keine ­Zigaretten.

KUTSCHFAHRT MIT ROBERTO BLANCO UND JÜRGEN DREWS

Für die vielen Fotos im Lokal, die Wilhelm Petrus mit berühmten Schlagerstars und weniger berühmten -sternchen zeigten, gibt es von ihm eine ganz einfache Erklärung. »Ich hatte ja eine Kutsche mit zwei Pferden, mit der ich Sänger wie Roberto Blanco, Jürgen Drews oder Thomas Anders vom Flugplatz abholte. Vor ihrem Auftritt im ­Fresena oder im Monopol kutschierte ich sie natürlich auch in die Reiterklause. Eine bessere Publicity konnten wir für unser Lokal doch gar nicht bekommen«.

1988 wollte Wilhelm Petrus etwas ganz anderes machen und begann mit seinen Führungen durchs Watt. Die »Reiterklause« führte Sohn Henning weiter, der sie 1990 in »Harle-Hörn« umbenannte. Einige Jahre später übernahm Tochter Carola die Gaststätte. »Die Lebensplanung unserer Kinder änderte sich, und meine Frau Annelore und ich haben für die letzten Jahre das Lokal wieder selbst geführt«, erinnert sich Petrus, »aber 2010 war endgültig Schluss, am 10. April, das weiß ich noch genau. Wir hätten für die Küche eine Investition tätigen müssen, die uns angesichts unseres damaligen Alters als absurd erschien«.

Die Eheleute Petrus verkauften ihr Haus und zogen ins Dorf.

EIN PFERD AM FENSTER

Auf ihre Zeit im Westdorf blickt Familie Petrus gerne zurück. »Der Weg mit dem Fahrrad vom Dorf in den Westen hat uns immer gut gefallen. Bei Regen und Sturm von vorne vielleicht nicht immer ganz so gut. Aber im Westen zu leben, das war schon einmalig«.

Und eine ganz besondere Erinnerung? »Ja, im schneereichen Winter 1976 guckte morgens einmal das Pferd unseres Nachbarn in unser Schlafzimmerfenster«. Was daran denn so besonders war? »Unser Schlafzimmer befand sich in der 1. Etage – das Pferd war einfach über eine Schneewehe hochgestapft«.

Text: AXEL STUPPY

FOTOS: EVELYN GENUIT + PRIVAT​

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