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INSELWOHNEN

OVERCROWDING AN DER DEUTSCHEN NORDSEEKÜSTE?

In vielen Metropolen weltweit rumort es immer öfter in der Bevölkerung, wenn das Tourismus­aufkommen als zu groß empfunden wird. Oft führt touristisches Verhalten zu weiteren objektiven oder vermeintlichen Problemen. Aber auch in kleineren Regionen wie an der Nordseeküste organisiert sich Widerstand gegen das ungebremste und unregulierte touristische Wachstum.

MOIN NR. 1 · 2022

Auf Borkum engagierten sich Bürgerinitiativen erfolgreich, um weitere Hotelprojekte zu verhindern. Schon im vorletzten Jahr organisierte sich auf Sylt Widerstand gegen die gefühlt überhandnehmende Überfremdung. Das dortige Ziel wird mit »ein authentisches, weltoffenes, nachhaltig geführtes Sylt mit Dorf- & Inselcharakter und guter Lebensqualität für Einheimische« umschrieben. Die Diskussion um das Hotelprojekt am jetzigen Ort der Kur- und Gemeindeverwaltung zeigt deutlich, dass genau dieser Diskurs längst auch auf Wangerooge angekommen ist.

Dabei hat die Anwesenheit von Feriengästen auf Wangerooge eine lange Tradition. Für die Wangerooger bedeutete dies in erster Linie Arbeitsplätze und ein weitgehend geregeltes Einkommen. Die Bewohner haben sich an die Gäste gewöhnt und profitieren nach wie vor von ihnen.

Schon 1911 kamen etwa 17.000 Gäste auf die Insel, 1927 bereits 26.000, 1987 waren es 64.000 und 2019 knapp 140.000 Gäste. Wobei die Übernachtungszahlen in den vergangenen fünfunddreißig Jahren insgesamt nur leicht angestiegen sind.

»Grundsätzlich ist die Infrastruktur der Insel Wangerooge auch für steigende Übernachtungszahlen ausgelegt«, lässt die Gemeinde Wangerooge auf Anfrage der MOIN verlauten. Wer jedoch einmal das chaotisch anmutende Gewusel um An- und Abfahrt erlebt hat, könnte durchaus zu anderer Einschätzung gelangen.

WOHNUNGSVERKNAPPUNG SPÜRBAR

Mittelbare und unmittelbare Auswirkungen von immer mehr Gästen und Ferienwohnungen werden in der Verknappung von Wohnraum für Wangerooger spürbar. Bezahlbare Wohnungen für kleinere und mittlere Inseleinkommen verschwanden durch Umwidmung oder Abriss vom Markt. Immerhin steuert hier die Gemeinde durch diverse Maßnahmen, wie den kürzlich beschlossenen Erwerb des TUI-Ferienheims, entgegen. Dort sollen Dauerwohnungen für Wangerooger und speziell für Wangerooger Senioren entstehen.

Schon vor etwa zehn Jahren haben engagierte Wangerooger und Gäste ein Leitbild für die Zukunft der Insel entwickelt, um Reibungsprobleme zwischen Urlaubern und einheimischer Bevölkerung zu erkennen und zu minimieren. Dieses Leitbild beeinflusst mittlerweile auch die Planung der Inselgemeinde: »Neben einer Steigerung der Übernachtungszahlen, ist ein vorrangiges Ziel des Tourismusmanagements die Steigerung der Wertschöpfung und die Förderung eines Ganzjahres-Tourismus, um Ganzjahres-Arbeitsplätze zu schaffen. Eine touristische Weiterentwicklung wird sicherlich auch steigende Gästezahlen mit sich bringen ­können«.

Matthias Groote vom neuen Dachverband »Tano«, der die niedersächsische Küstenregion vermarktet, betont: »Dass ein Investor kommt und etwas nach seinen Vorstellungen baut – diese Zeiten müssen eher um sein«. Stattdessen sei eine Bürgerbeteiligung bei Großprojekten von Anfang an wichtig. Es scheint also auch in unserer Region ein langsames Umdenken stattzufinden. Zufriedenstellende Alternativen dazu gibt es auch nicht.

In der nächsten Print-Ausgabe der MOIN werden wir uns eingehend mit dem weltweiten Phänomen des Overtourism befassen.

TEXT: AXEL STUPPY

FOTOS: EVELYN GENUIT + THOMAS VON AHN

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