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SCHÖNHEITEN

MAX UND DIE MISS

Er lernte schon als Baby die frische, gesunde Luft von Wangerooge kennen, spielte als Kind im Sand und kehrte als Jugendlicher mit Papa Ralf und Opa Horst jedes Jahr auf seine Lieblingsinsel zurück. Heute ist Max Klemmer ein stattlicher Mann mit 24 Jahren und einer von zwei Gesellschaftern der »Miss Germany Corporation« in Oldenburg und beruflich Begleiter der bildhübschen Miss Germany von 2020.

MOIN NR. 2 · 2020

Leonie Charlotte von Hase ist mit 35 Jahren so alt wie keine Titelträgerin zuvor in der Geschichte des Schönheitswettbewerbs. Doch das war nicht die einzige Besonderheit bei der Wahl im Europapark Rust. Max Klemmer, Enkel vom langjährigen Wangerooger »Kultur- und Tenniskönig« Horst Klemmer, war und ist immer dabei. Auch bei der vielbeachteten NDR-Talkshow war Klemmer Junior hinter Moderator Hubert Meyer-Burkhard zu ­sehen.

Max Klemmer, dessen Mutter Ines Kuba vor 30 Jahren zur Miss Germany gekürt wurde, nimmt seine neue Aufgabe als Organisator und Manager der Miss-Wahlen sehr genau. Als Schiedsrichter im Fußballkreis Oldenberg sind seine Fachkenntnisse ebenso gefragt wie jetzt bei der Vermarktung der schönsten Frauen. Er weiß, dass Frau von Hase eine ungewöhnliche Miss ist. Sie lebt in Kiel und betreibt dort einen Vintage-Laden, ist stolze Mutter eines Dreijährigen. Sie hat ein paar wenige Falten im Gesicht, was sie gefühlt zur einzigen »Erwachsenen« bei der Misswahl macht. Vor der Wahl sagt sie ruhig: »Wenn ich gewinne, geht das Leben normal weiter. Ich bringe dann wie immer alles unter einen Hut. Unternehmen, Haushalt, Hund, Kind.«

Knapp vier Stunden später ist diese Frau, die vieles von sich gibt, was man bei einer Misswahl nicht so häufig hört, die neue Miss Germany.

35 ist doch noch kein Alter! Das denken sich jetzt sicherlich viele Leser. Das ist grundsätzlich auch richtig, außer wenn man »Miss Germany« werden will. Die amtierende »Miss Schleswig-Holstein« ist die älteste Siegerin in den 93 Jahren der Misswahl. Die Kieler Online-Unternehmerin setzte sich gegen 15 (und zum Teil deutlich jüngere) Kandidatinnen durch.

Nach der Wahl meint die Siegerin: »Ich will Deutschland mit Eleganz, Würde, Ausstrahlung und Power repräsentieren.« Auf Platz zwei landete die 22-jährige Lara Runarsson aus Bayern; den dritten Platz ergatterte die bisherige Miss Hamburg, die Studentin Michelle-Anastasia Masalis. 

EINE NEUE ÄRA?

Schon Horst Klemmer (83) hatte beim Besuch in seiner Ferienwohnung an der Wangerooger Strandpromenade betont, dass in diesem Jahr keine Miss Wangerooge gewählt würde und bei den Miss-Wahlen im Europa-Park Rust diesmal alles anders sein sollte in diesem Jahr. Änderungen nach 60 Jahren Miss Germany. Es sollte nicht mehr nur darum gehen, wie die Teilnehmerinnen aussehen. Dieses Jahr sei die Persönlichkeit derjenigen entscheidend, die zuvor schon die Miss-Wahl in ihrem jeweiligen Bundesland gewonnen hatten. Man erhöhte das Mindestalter der Bewerberinnen auf 18, erlaubte auch verheirateten, nicht schlanken, älteren Frauen und Müttern die Teilnahme und sagte ihnen, dass sie sich nicht mehr im Bikini zeigen müssen, wenn sie es nicht möchten.

Ein Statement in Zeiten, in denen Harvey Weinstein der Prozess gemacht wird, in denen einige Victoria’s-Secret-Models von Fällen sexueller Belästigung bei der Marke berichten und in denen #MeToo im französischen Sport angekommen ist. Was also ist alles anders im Europa-Park Rust?

Was die Moderation betrifft, erstmal nicht viel: Thore und Jana Schölermann führen durch den Abend, als hätten sie ihr gesamtes bisheriges Leben dösend verbracht. Als Miss Meck-Pomm die Bühne betritt, sagt Thore: »Studiert Wirtschaftsrecht, sieht man ihr gar nicht an.« Was das Konzept betrifft noch ein bisschen Marketinggeplänkel: Es sollte Personality-lastiger werden, der Wettbewerb bekam ein Motto: »Empowering Authentic Women«. Weg vom alten Frauenbild, weg von Bademoden, weg vom männlichen Blick, hin zum neuen Feminismus. Aber hier, in Rust, haben die Frauen kaum etwas anderes zu tun, als zu laufen, zu stehen und zu lächeln. Zweimal bekommen sie die Gelegenheit, sich in 60 oder 90 Sekunden Fragen der Jury zu stellen. Diese Jury bestehen nur aus Frauen, ­immerhin.

MAX, DER FUSSBALL-SCHIRI

Max Klemmer, Enkel bzw. Sohn der Veranstalter-Familie, deren einziges Business es ist, Misswahlen auszurichten, hat sich das Personality-Konzept ausgedacht. »Es geht nicht darum, dass Frauen sich messen. Miss Germany ist ein Wettbewerb für Botschafterinnen. Sie sollen die Bühne nutzen, um ihre Botschaft in der Welt zu verbreiten«, sagte der Hobby-Fußball-Schiri, der Individualität in den Fokus rücken will.

Konnte Klemmer dieses Vorhaben umsetzen? Am Ende des Tages sahen die Teilnehmerinnen gut aus, ansonsten erfährt man kaum etwas über sie. In ultrakurzen Einspielern, die über Videowände laufen, und in den Mini-Jury-Interviews bringen sie ein paar Sätze zustande.

Wirklich anders ist das große Missen-Theater nur, wenn Leonie von Hase auf die Bühne darf. Dann passieren Szenen, die nicht hierher passen. Von Hase glitzert nicht, sie trägt einen lilafarbenen Strick­pullover. Sie berichtet von ihrer Heimat Namibia und äußert sich zu »unangepasstem Leben«; an einem solchen Abend.

WAS BEDEUTET DER SIEG?

Am Ende gewinnt Leonie von Hase einen Managementvertrag mit der Firma der Klemmer-Familie, bekommt ein Jahr freien Eintritt in den Europa-Park, einen VW Golf GTI, einen Jahresvorrat Shampoo, eine monatliche Schuh-Ausstattung, ein Designer-Bett und einen Gutschein fürs Outlet-Center. Aber Leonie von Hase weint nicht, als ihr Name verkündet wird, sie schaut etwas ungläubig, kneift die Augen zusammen und lacht dann. 

Von Hase sagt, es gehe hier natürlich ganz rational darum, neue Influencerinnen zu finden, Frauen an das Geschäftsmodell heranzuführen, letztlich: Geld zu machen. »Ich erhoffe mir, auf Instagram erfolgreicher zu werden«, sagt sie.

Durch die Wahl habe sie zu sich gefunden, sagt Leonie von Hase kurz. »Es war prägend für mich, Mutter zu werden. Aber ich habe es auch vermisst, mich mit mir selbst zu beschäftigen.« Als sie ihren Sohn wegen der Vorbereitungen für die Wahl länger nicht sehen konnte, setzte sie einen Instagram-Post ab. Sie schrieb: »Seit fast drei Wochen bin ich von meinem Sohn getrennt. Anfänglich wusste ich nicht, was ich mit mir anfangen soll, zwischendurch hatte ich heftigen Liebeskummer, und mittlerweile hab ich Angst, gar nicht mehr zu wissen, wie Muttersein überhaupt noch geht.«

Wie erklärt sie das ihrem Dreijährigen, wenn der fragt, was sie die ganze Zeit gemacht hat? »Ich werde ihm sagen, wie es war. Mama musste arbeiten.«

Max Klemmer bewundert die schöne Leonie und fühlt sich im Land der Schönheiten wohl. Wie vorher schon Papa Ralf und Opa Horst. Und er freut sich auf den Sommer. Dann trifft sich die ganze Familie wieder auf Wangerooge. Dort, wo sich Jahrzehnte lang die Miss Germanys getroffen und bei den von Horst Klemmer inszenierten Tennis-Turnieren die Sieger geehrt haben. Dieses Jahr leider nicht …

3 Fragen an Max Klemmer

Warum wollen Sie, dass Frauen sich messen?

Klemmer: Es geht nicht darum, dass Frauen sich messen. Miss Germany ist ein Wettbewerb für Botschafterinnen. Sie sollen die Bühne nutzen, um ihre Botschaft in der Welt zu verbreiten.

Was ist Ihre Botschaft an Frauen?

Klemmer: Sie können sein, wie sie sein wollen. Jede ist auf ihre Art individuell und fantastisch.

Haben Sie in den vergangenen Wochen etwas über Frauen gelernt, das Sie vorher nicht wussten?

Klemmer: Frauen sind, wie sie sind, und man sollte sie auch so nehmen, wie sie sind.

Text: Manfred Osenberg

FOTOS: KLAUS SCHULTES + MAO + PETER TIGGES + EVELYN GENUIT + PRIVAT

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